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Interview mit Fritz Hoffmann

Anlässlich seines 90. Geburtstages hat Rainer Saurbier, damaliger Landeswart des CVJM Sachsen-Anhalt, hat ein Interview mit Fritz Hoffmann geführt, wenige Woche vor seinem Tod am 4. Juni 1996. Lesen Sie hier, wie Fritz Hoffmann zur kirchlichen Jugendarbeit kam, wie er die schwierigen Zeiten im Dritten Reich und in der DDR erlebte, und welche Stationen ihn schließlich nach Magdeburg führten.

Saurbier: „ Lieber Fritz, du wirst am 17. August 1996 90 Jahre alt. Was war das wichtigste Ereignis in deinem Leben?“

Hoffmann: „Das wichtigste Ereignis in meinem Leben war meine „Wiedergeburt“. Am Himmelfahrtstag 1928 (17. Mai) nahm ich am Jugendtag der Hannoverschen Kirche auf der Marienburg teil. Zum Abschluss des Treffens sprach Landesbischof D. Mahrarens, Hannover, über das Gemälde von Albrecht Dürer „Ritter trutz Tod Teufel“. Seine Ansprache bewirkte, dass ich mein Leben an Jesus Christus übergab. Die Folge war, was Paulus in 2. Kor. 5,17 so ausdrückte: „Wer zu Christus gehört, ist ein neuer Mensch geworden. Was er früher war, ist vorbei, und etwas ganz Neues hat begonnen.“ Darum entschied ich mich, meine Berufstätigkeit als Korrespondent aufzugeben und mich für die Aufgabe der Verkündigung der frohen Botschaft unter der Jugend ausbilden und einsetzen zu lassen. So trat ich am 1. Januar 1929 in das Evangelische Johannesstift in Berlin-Spandau ein, um mich 3 Jahre lang für die Missionstätigkeit unter der Jugend ausbilden zu lassen.“

Saurbier: „Kannst du uns ein paar Informationen über deinen Lebensweg geben?“

Hoffmann: „ In der Rheinpfalz in einer Pfarrerfamilie geboren, verlebte ich trotz Krieg und Nachkriegsfolgen eine ungetrübte Kindheit. Nach der Schulzeit absolvierte ich eine Lehre als Kauffmann in einer Schuhmaschinenfabrik in Pirmasens, wo ich auch nach Beendigung der Lehre weiterhin tätig war, bis ich eine neue Stelle als Buchhalter in einer Schuhfabrik in Dahn antrat. Zur weiteren Ausbildung – um die Voraussetzung für ein Universitätsstudium zu erlangen – besuchte ich eine Handelshochschule in Calw. Nach einer zwischenzeitlich ausgeübten Tätigkeit als Geschäftsführer in dem CVJM-Heim in Dassel, einem Aufenthalt in London und der Tätigkeit als Auslandskorrespondent in der Versandfirma August Stukenbrock in Einbeck begann ich am 1. Januar 1929 mit der Ausbildung zum Jugendwart. Die Tätigkeit als Jugendwart begann ich am 1. April 1932 in Schneidemühl (Grenzmark Posen-Westpreußen). Die Jugendarbeit nahm einen sehr guten Verlauf, so dass die Hitler-Jugend mit einigen Attacken dagegen antrat. Aus dieser Notlage heraus wurde ich als Landeswart des Evangelischen Jungmännerwerkes (Ostwerk) nach Magdeburg berufen, wo ich die Arbeit am 1. August 1935 begann. Diesen Dienst übte ich bis 1976 aus: bis 1966 als Verantwortlicher für die Jugendarbeit, von da an als Leiter der Versandstelle des Evangelischen Jungmännerwerkes und als Evangelist. Ab 1976 war ich in der Hauptsache als Evangelist unterwegs sowie als Mitglied des „Lausanne-Komitee für Weltevangelisation“, was eine umfangreiche Reisetätigkeit auslöste, Bermuda, Australien, Thailand, Italien, England und die osteuropäischen Länder (Polen, Tschechei, Ungarn, Rumänien) waren die Reiseziele. Die Ergebnisse dieser Reisen und der dabei besuchten Konferenzen wurden in zahllosen Gemeindebesuchen (bis zu 150) ausgewertet. Diese Tätigkeit wurde bis zum Jahr 1985 ausgeübt.“

Saurbier: „ Bevor du als Landeswart nach Sachsen-Anhalt kamst, warst du Jugendwart in Schneidemühl. Warum hast du nach kurzer Zeit deine Stelle verlassen und bist nach Magdeburg gekommen?“

Hoffmann: „Meine Tätigkeit in Schneidemühl war vom Herrn so gesegnet, dass ich mehrere 100 Jungen und junge Männer wöchentlich betreuen konnte. Trotz der vom Reichsbischof Müller angeordneten Überführung der Jugend in die Hitler-Jugend und das Jungvolk führte ich die Arbeit als Junge Gemeinde weiter, weiterhin mit großem Erfolg und sehr gutem Besuch der Jugendstunden und Freizeiten. Die Hitler-Jugend sah diese Arbeit als Konkurrenz an und bekämpfte sie. Ein Zeltlager mit über 100 jungen Männern im Jahr 1935 wurde von der Hitler-Jugend überfallen und zerstört. Der Überfall zeigte deutlich, wie sehr man unsere Arbeit hasste. Dieser Überfall veranlasste die Leitung des Ostwerkes in Berlin, mich in die freigewordene Stelle des Gauwartes (später Landeswart) zu berufen.“

Saurbier: „Wie gestaltete sich die Jungmännerarbeit in Sachsen-Anhalt?“

Hoffmann: „Es entwickelte sich in Sachsen-Anhalt wieder eine sehr umfangreiche Jugendarbeit. Besuche in den Gemeinden, Jugendtage auf Kreisebene und Freizeiten in verschiedeneren Heimen stärkten die Verbindung der Jungen Gemeinden untereinander. Jugendevangelisation ersetzten weithin die verbotenen Freizeiten.“

Saurbier: „Die Versandstelle war in den Landeskirchen der DDR ein Begriff. Wie entstand diese Arbeit und welche Aufgabe hatte sie?“

Hofmann: „Als ich nach meiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft im August 1945 mit der Arbeit neu begann, wurde sehr bald deutlich, dass die mündlich Verkündigung ergänzt werden musste durch anderen Medien. So begann ich gleich nach der Wiederaufnahme der Arbeit mit Druck und Versand der jeweiligen Jahreslosung und der Monatssprüche. Bald kamen Angebot und Versand von Schriften hinzu. Bildstreifen wurden zusammengestellt und angeboten. Um diese Streifen in den Gemeinden zeigen zu können, waren Bildwerfer erforderlich, die wir z vermitteln versuchten. 1948 erhielt die nun offiziell „Versandstelle“ genannte Dienststelle die staatliche Genehmigung und konnte daher die Arbeit ausdehnen. Die Versandstelle wuchs bis auf 40 Mitarbeiter/innen an. Die Versorgung der Gemeinden in der gesamten ehemaligen DDR, den Gemeinden der katholischen Kirche, der Freikirchen und anderer brachte der Versandstelle das Prädikat „Kirchlicher Neckermann“ ein. Was in den Gemeinden zum Dienst der Verkündigung gebraucht wurde, konnte man sich bei der Versandstelle besorgen.“

Saurbier: „1953 war ein sehr schweres Jahr für die DDR-Kirchen, Du wurdest auch in die Auseinandersetzung verwickelt. Wie kam es dazu?“

Hoffmann: „Die Arbeit mit den Jungen Gemeinden blieb natürlich der FDJ noch unbekannt. Da sie sich seit 1948 als alleinige Jugendorganisation betrachtete, wurde die kirchliche Jugendarbeit als illegale Jugendarbeit angesehen und bekämpft. In Presseartikeln – vor allem in der „Jungen Welt“ – wurde die Jungen Gemeinde heftig angegriffen und als eine vom Westen und den USA gesteuerte Gegenarbeit bezeichnet. Das von den Gliedern der Jungen Gemeinde getragene Zeichen „Kreuz auf der Weltkugel“ wurde verboten und die Teilnahme an den Jugendstunden in den Gemeinden behindert. Als Walter Ulbricht öffentlich die Junge Gemeinde als eine illegale Jugendorganisation bezeichnete, habe ich dagegen Stellung genommen. Mir wurde angelastet, dass ich Walter Ulbricht zum Lügner erklärt hätte. Dies führte Anfang März 1953 zu meiner Verhaftung und meiner Haft im Stasi-Gefängnis „Roter Ochse“ in Halle. In mehr als 50 Verhören versuchte man, weitere Beweise für meine „Untergrundtätigkeit gegen die FDJ“ zu bekommen. Im ganzen Land wurde für mich gebetet. So kann ich meine Befreiung nur als Erhörung dieser Gebete ansehen. Als die Besprechung zwischen Evangelischer Kirche und FDJ am 11.Juli 1953 nachmittags stattfinden sollte, de nach der neuen Einstellung des Stattet zur Kirche vereinbart wurde, forderten die Vertreter der Kirche, angeführt von Oberkonsistorialrat Andler, die vorherige Freilassung von Studentenpfarrer Hamel (Halle) und meiner Person. Während Hamel am Vorabend entlassen wurde, wollte man mich nicht freigeben. Da aber die Delegation mit Bruder Andler auf meiner Entlassung beharrte, wurde ich am 11.Juli gegen 14 Uhr freigelassen. De Jugendarbeit konnte nach der Wende der staatlichen Maßnahmen wieder voll anlaufen. Erschwert wurde sie nur durch die Tatsache, dass viele der Jugendlichen, auf denen die Jugendarbeit aufgebaut war, in den Westen emigriert waren.“

Saurbier: Nachdem du 1966 die Jugendarbeit in jüngere Hände legtest, hast du dich sehr stark für die evangelische Arbeit in unserem Land und darüber hinaus eingesetzt. Aus welchem Grund hast du das getan?

Hoffmann: „Vom Anfang meiner Tätigkeit in Schneidemühl bis zu meiner „Zur-Ruhe-Setzung“ im Jahr 1991 war ich missionarisch eingestellt und tätig. Bald nach dem Kriege sammelte ich etwa 50 missionarisch eingestellt Bücher – Pfarrer, Diakone und Laien – in einem Volksmissionskreis. Diese Sammlung wurde dann von 1955 an in der Evangelistenkonferenz fortgesetzt, die bis 1991 bestand. Es war mir klar, dass Kirche nur gebaut werden konnte, wenn das Evangelium unmissverständlich als Ruf zur Umkehr und Hinkehr zu Jesus Christus als der tragenden Kraft verkündigt wurde. In meiner Auffassung wurde ich durch die Teilnahme an den großen Weltkonferenzen und durch die dort verfassten Schlussdokumente gestärkt. Gerade bei der Jugend werden Evangelisationen mit dm klaren Ruf zur Bekehrung unentbehrlich sein und bleiben.“

Saurbier: „Was würdest du unseren Lesern im Blick auf deine lange Lebenserfahrung mit auf den Weg geben wollen?“

Hoffmann: „ Rückschauend auf mein Leben kann ich nur den Rat geben: Bleibt bei dem radikalen Ruf zur Umkehr und zur Hinkehr zu Jesus Christus. „Jesus Christus gestern und heute und auch morgen“ kann allein das Ziel unserer Arbeit und Verkündigung sein.“